inter-ligere

Wer glaubt, dass es die Rolle der Medien sei, in der demokratischen Diskussion verschiedene Aspekte miteinander in Verbindung zu bringen sowie sachliche und intellektuelle Elemente aufzuzeigen, die es erlauben, die Oberfläche der Ereignisse zu durchstossen, ist ein Träumer. Intelligenz: aus dem Lateinischen inter-ligere: Sachen miteinander verbinden (der Dummkopf sagt «Ich sehe da keinen Zusammenhang»). Aber Latein gehört schon lange nicht mehr zum Cursus honorum, zur «Ämterlaufbahn» der Berufskommentatoren. Wir leben im Zeitalter der Sequenzen – die eine jagt die andere. 

Natacha Polony,  Französische Kolumnistin

 

...das noch als irrational Erscheinende ist nicht bloss zurückgebliebene und glatt auflösbare Dummheit, es bezeichnet auch einen Rest im Menschen. Es bezeichnet nämlich - im strengeren Sinne - das zur wirklichen Vernunft zu Bringende, vom Verstand noch Ausgelassene, genauer, jene Elemente unseres durch und durch geheimnisvollen Daseins, denen nichts als Verstand noch nicht gerecht geworden ist...Wird unser Leben, worin so vieles nicht stimmt und so manches wieder in Schönheit und Bedeutung wie mit lauten Trostgesängen leuchtet, allzu ökonomisch behandelt und reduziert, dann machen die Schwindler ungestört ihre Geschäfte mit dem Irrationalen, und es entsteht aus ihm nur jene Nacht, die keines Menschen Freund ist.  

Ernst Bloch

 

Je suis excentrique et ne me préocupe pas de ce que les gens pensent de moi. Je dis aussi beaucoup de choses qui me paraissent essentielles et qui n'interessent personne. 

A. P., junge, selbstbewusste Mensanerin

 

..Je vollkommener jemand seine Sprache versteht, desto reicher ist er auch an Vorstellungen der Dinge... Umgekehrt je ärmer Sprache und Ausdruck, desto ärmer auch an einer deutlichen, klaren und wohlgeordneten Erkenntnis. Seiner Sprache mächtig sein heisst daher nichts anderes, als aller Kräfte seines Geistes und des ganzen Ideenvorrates mächtig sein, welchen die Sprache bezeichnet.  

 

              Gottfried August Bürger 1747 - 1794

 

Religion

  Mach dir deine eigenen Götter, und unterlasse es, dich mit einer schnöden Religion zu beflecken.

                                                                                                      Epikur, griech. Phil., 341-270 v.Chr.

  

Als ich den Leuten in Nordirland erzählte, dass ich Atheist sei, stand eine Frau im Publikum auf und fragte: "Nun gut, aber ist es der katholische oder der protestantische Gott, an den Sie nicht glauben?" 

Quentin Crisp

 

Die Entschlossenheit, die nicht über Schlafen, Träumen, Ängste, Klagen, Niedergeschlagenheit, Arroganz und Illusion hinausgeht, ist in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

Bhagavad Gita, Moksa-Yoga, Das höchste Ziel - die göttliche Freiheit

 

  

 Sinnfrage des Lebens,  Beat Imhof

MUT

Wir fürchten uns nicht vor unserer Unzulänglichkeit. Wir fürchten uns davor, über alle Massen mächtig zu sein. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, das uns am meisten schreckt. Wir fragen uns, wie kommt es, dass ich grossartig, wunderbar, talentiert und fabelhaft bin ?

 

Warum solltest du es nicht sein ?

 

Du bist ein Kind Gottes. Sich klein zu machen nützt der Welt nichts. Es hat nichts mit Erleuchtung zu tun, zusammenzuschrumpfen, damit die Leute in deiner Umgebung sich nicht unsicher fühlen. Wir sind geboren, um die Herrlichkeit Gottes in uns zu verwirklichen. Sie ist nicht nur in einigen von uns, sie ist in jedem ! Wenn wir unser Licht leuchten lassen, geben wir den anderen unbewusst die Erlaubnis, das Gleiche zu tun.

 

Wenn wir uns von unserer Furcht befreien, befreit unsere Anwesenheit automatisch die anderen.

 

Nelson Mandela - Rede zur Amtseinführung

Ein Mann fand ein Adlerei und legte es in das Nest einer brütenden Henne. Der junge Adler schlüpfte mit den Kücken aus und wuchs mit diesen auf. Sein ganzes Leben lang benahm sich der Adler wie ein Huhn, denn er war sich seiner Herkunft nicht bewusst. Er scharrte mit den Hühnern im Hinterhof und auf dem Miststock und schlief des Nachts auf einem Bein stehend. Nur das Eierlegen wollte ihm nicht recht gelingen. Jahre vergingen und der Adler wurde alt. Eines Tages sah er einen herrlichen Vogel hoch über dem Hühnerstall mit ausgebreiteten Schwingen dahingleiten. Voll Bewunderung schaute ihm der alte Adler nach und fragte den Hahn, der gerade vorbeistolzierte: "Wer ist das ?"  "Das ist der Adler, der König der Lüfte ", erklärte der Gockel, "doch reg dich nicht auf, du und ich, wir sind von anderer Art." Also dachte der Adler nicht mehr weiter an diesen Vogel. Er starb im Glauben ein Huhn im Hinterhof zu sein.  Daraus folgt: "Wer das Denken eines Huhnes hat, für den ist die Welt ein Hühnerstall.

 

                                                                                                                           Beat Imhof, Symbolgeschichten - Wege nach Innen

 

Liebe

Geliebt zu werden macht stark;

selbst zu lieben macht mutig.

 

                                  Lao-Tse

 

 

 

Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt der lasse sich begraben.

                                                                                            Goethe

 

Mensch werden ist eine Kunst.

 

                                         Novalis

Reich

Wirklich reich ist,

wer mehr Träume

in der Seele hat,

als die Realität

zerstören kann.

 

Hans Kruppa

Regierung

Es wird eine Zeit kommen, wo in unserem Lande, wie anderwaerts, sich grosse Massen Geldes zusammenhaengen, ohne auf tuechtige Weise erarbeitet und erspart worden zu sein; dann wird es gelten dem Teufel die Zaehne zu weisen; dann wird es sich zeigen, ob der Faden und die Farbe gut sind an unserem Fahnentuch !

Gottfried Keller  

Der chinesische Weise Kung Fu-Tse wurde von einem seiner Schüler gefragt: "Meister, wenn der Kaiser euch die Regierung des Reiches anvertrauen würde, welches wäre dann eure erste Weisung ?" Der Meister antwortete darauf: "Zweifellos würde ich zuallererst die Bedeutung der Worte genau festlegen." Da rief der Schüler aus: "Aber Meister, das kann doch nicht euer Ernst sein ! Wir sind doch alle der Sprache mächtig. Warum sollte es so wichtig sein, zuallererst die Bedeutung der Worte genau festzulegen ?"

 

Der Meister belehrte den Fragenden:"Wie kurz sind doch deine Gedanken, und wie beschränkt ist dein Wissen. So höre den:"Der edle Mensch legt bei allem, was er nicht vollkommen versteht, grösste Vorsicht an den Tag. Wenn die Bedeutung der Worte nicht eindeutig feststeht, führt dies leicht zu Missverständnissen, und die Leute reden aneinander vorbei, ohne die Wahrheit zu begreifen. Und wenn die Worte zu verschiedenen Auslegungen führen, kann kein Vorhaben zu einem guten Ende gebracht werden. Auf diese Weise können Ordnung und Gleichgewicht nicht zur Blüte gelangen.

 

Wenn aber Ordnung und Gleichgewicht nicht zur Blüte kommen und die Verhältnisse des Volkes nicht harmonisch sind, dann sind Belohnung und Strafen nicht gerecht. Und wenn die Belohnungen und Strafen nicht gerecht sind, wissen die Untertanen nicht, wo sie ihre Hände und Füsse hintun sollen. Darum ist der edle und gerechte Mensch stets genau in seiner Ausdrucksweise, und seine Worte sind nicht doppelsinnig. Daher können seine Befehle ohne Gefahr des Missverstehens ausgeführt werden."                                                                                                                                                                                                                                                                                            Konfuzius

 

Die Geschichte hat gezeigt, dass Führer und Heilsbringer nichts taugen - auch nicht in die der "linken" Denkrichtung. Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, wenn aus den von mir skizzierten Impulsen eine neue Schreckensherrschaft des Guten hervorginge. Kein Einzelner kann so klug sein, dass er die Lösung für alle Weltprobleme aus dem Ärmel zaubern kann. Nur vernetztes Bewusstsein ist in der Lage, das Neue, das wir momentan vielleicht noch nicht einmal erdenken können, konkret werden zu lassen. Denn alles, was wir ausschliesslich rational konzipieren können, ist nicht wirklich neu.  Das tatsächlich Revolutionäre lässt sich nur erahnen und erfühlen. Dichtung und Musik sind hierfür wahrscheinlich geeignetere Medien als von Rechtsgläubigen verfasste politische Manifeste.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Konstantin Wecker, Mönch und Krieger

Vorwort

         

           «Wer so tut, als bringe er die Menschen zum Nachdenken, den lieben sie. Wer sie wirklich  zum Nachdenken bringt, den hassen sie.»

     (Aldous Huxley)

      

Wissen Sie noch, wie es in den Hochzeiten des Kalten Krieges war? Der böse Russe lauerte  überall, während der gute Westen seine Werte verteidigte. «Gut» und «Böse» waren sauber verteilt, Orientierung kein Problem. Wer eine antisowjetische Politik betrieb, zählte zu den «Guten», auch wenn er Pinochet, Suharto oder Reza Schah Pahlevi hieß. Wer westlichen Interessen in die Quere kam, steckte gewiss mit Moskau unter einer Decke und gehörte beseitigt, wie Allende in Chile, Lumumba im Kongo, Mossadegh im Iran, Sukarno in Indonesien oder Nasser in Ägypten. Der Kalte Krieg war eine Zeit zynischer geostrategischer Interessenpolitik – auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Und nicht selten verstellten die klaren Feindbilder den Blick auf die Realität. Mehrfach stand die Welt am Rande eines Atomkrieges. Die Kontrahenten belauerten sich, rätselten über die Absichten des Gegners und lagen oft spektakulär daneben. Geglaubt wurde dem, der die düstersten Annahmen traf, alles andere galt als naiv.

      

Ein Vierteljahrhundert später wurde es komplizierter: Entspannungspolitik, Abrüstung,  Gorbatschows Perestroika, die deutsche Wiedervereinigung, das Ende der Ost-West-Konfrontation.  Für einen kurzen Moment schien es möglich, gemeinsam statt gegeneinander über die Gestaltung der Zukunft nachzudenken, unterschiedliche Erfahrungen in die Waagschale zu werfen und zu überlegen, wie man Völkerverständigung – immerhin eines der erklärten Ziele deutscher Außenpolitik – konkret umsetzen könnte: Jeder sollte sich sicher fühlen,  allen sollte es besser gehen und strittige globale Fragen auf der Grundlage des entstandenen Vertrauens zwischen Ost und West behandelt werden. Was für eine Chance! Genau zu dieser Zeit habe ich in Moskau gelebt. Wie groß waren die Hoffnungen, wie stark war die Begeisterung und wie stabil die Motivation, gemeinsam an einer besseren Welt zu bauen. Wieder ein       Vierteljahrhundert später ist nichts mehr davon übrig. Die NATO, die sich seit Ende der 1980er Jahre weder aufgelöst noch umgestaltet hat, sieht in Russland inzwischen erneut eine Bedrohung. Russland hat im Westen wieder die Rolle eingenommen, auf die früher die Sowjetunion abonniert war: die des ewigen Schurken.

      

Wie kommt es, dass kaum ein Tag vergeht, ohne dass die neuesten russischen Untaten angeprangert werden? Der russische Präsident Wladimir Putin erscheint in Politik und Medien geradezu als Inkarnation des Bösen, dem man auf keinen Fall trauen kann und der nichts Gutes im Schilde führt, selbst wenn er mit Blick auf internationale Krisenherde

konstruktive Vorschläge macht, im Kampf gegen Terrorismus Zusammenarbeit anbietet oder alte Kontakte aus sowjetischen Zeiten nutzt, um Gesprächspartner an einen Verhandlungstisch zu bekommen, an dem sie auf Einladung des Westens gar nicht erschienen wären. Sicher:

Es gibt viel zu kritisieren an Putins Politik. Aber ist er wirklich der omnipotente Bösewicht, wie ihn sich Ian Fleming, der Erfinder von James Bond, nicht besser hätte ausdenken können? Oder gibt es andere Gründe für das negative Russlandbild, das uns gegenwärtig auf allen Kanälen vermittelt wird? Geostrategische Interessenkonflikte

vielleicht? Oder die Sehnsucht nach einem klaren Feindbild, das eine unübersichtliche Welt überschaubarer werden lässt und der NATO wieder eindeutige Aufgaben verschafft?

      

Moskau, so heißt es, sei eine Bedrohung – für den Zusammenhalt der EU, für den Frieden in der Welt und ganz konkret für die Sicherheit der osteuropäischen Staaten. Deswegen müsse der Westen Stärke zeigen, müssten Manöver abgehalten und NATO-Truppen in die baltischen Staaten und nach Polen verlegt werden. Alles andere würde Putin nur ermutigen, seine aggressive Expansionspolitik fortzusetzen, so wie die Appeasement-Politik der 1930er Jahre Hitler nur darin bestärkt habe, dass Vertragsbruch und Gewalt erfolgversprechend seien. Doch welche Belege gibt es eigentlich dafür, dass der Kreml danach strebt,  sich die baltischen Staaten einzuverleiben? Wäre das überhaupt in seinem strategischen Interesse? Woher weiß man, dass Putins Ziele expansiv sind und er den alten Einflussbereich der Sowjetunion wiederherstellen will? Könnten sie nicht auch defensiv sein angesichts einer immer mehr geschrumpften Einflusszone in den letzten Jahrzehnten? Wer agiert, wer reagiert? Und ist Putin der unberechenbare Draufgänger, als der er manchmal dargestellt wird? Oder nicht doch ein rational und strategisch geschickt agierender Machtpolitiker,  der damit letztendlich berechenbar ist?

 

Wer früher im Westen über die Motive und Absichten der sowjetischen Führung spekulierte,  den nannte man einen Kremlastrologen – auch weil die Voraussagen über die Ziele Moskaus nicht selten denselben Realitätsgehalt hatten wie Horoskope. In ähnlicher Weise wird heute über die Absichten Putins spekuliert, wobei auf die größte Zustimmung rechnen kann, wer die schlimmste Prognose stellt – doch auf welcher Grundlage eigentlich?

 

Müsste nicht über diese zentralen Fragen offen gestritten werden? Immerhin hängt von der Antwort ab, welche Politik wir gegenüber Russland in Zukunft verfolgen sollen.  Doch diejenigen, die nicht in das «Kreuziget ihn» einstimmen, werden der Propaganda bezichtigt, als «Trolle» oder Verbreiter von «Fake News» und «Verschwörungstheorien»         diffamiert, vom Kreml angeblich auf die eine oder andere Weise bezahlt oder ob ihrer bedauerlichen Naivität belächelt. Eine faire Auseinandersetzung über unterschiedliche Perspektiven kann unter diesen Bedingungen kaum noch stattfinden. Für eine Demokratie,  die eine lebendige Debatte ihrer Bürger braucht, ist es fatal, wenn jemand, der auch die russische Perspektive zu beleuchten versucht, in den Verdacht gerät, «im Auftrag» zu handeln oder bestenfalls ein nützlicher Idiot einer Propagandamaschinerie zu sein,  die er nicht durchschaut....

 

....Was lässt die Befürworter einer militärischen und politischen Eindämmung Putins so sicher sein, dass ihre Deutung der Realität entspricht? Ist ihre Haltung wirklich so alternativlos, dass es sich nicht zu streiten lohnt? Ist Russland unser Feind? Und wenn ja, warum? Ist eine konfrontative Politik richtig, weil sie dem Mainstream entspricht? Weil eine Mehrheit der Eliten sie vertritt? Bis kurz vor der Finanzkrise von 2008 lautete ein breiter Elitenkonsens, dass eine Deregulierung der Finanzmärkte «alternativlos», durch die Globalisierung erzwungen und überdies zum Wohle der Wirtschaft sei. Heute sagt das niemand mehr.

  

Von dem britischen Philosophen John Stuart Mill stammt der Satz: «Da keiner die Wahrheit besitzt, ist es gut, um die Wahrheit zu streiten.» Demokratische westliche Gesellschaften rühmen sich, genau das tun zu können und auch zu tun. Unsere Verfassung garantiert uns Presse- und Meinungsfreiheit. Pluralismus gilt als Wert. Wir sollten uns auch       im alltäglichen Streit daran orientieren. Nicht jeder, der vom Mainstream abweicht,  ist ein «Populist» oder ein Einflussagent fremder Mächte. Man kann auch ganz von alleine zu einer anderen Meinung kommen. Sicher, es gibt Fakten, über die sich nicht streiten lässt. Was etwa in Verträgen steht, kann man schwarz auf weiß nachlesen. Aber um auf Fragen wie: Was will Putin? Welche Politik gegenüber Russland sollten wir verfolgen? etc. unterschiedliche Antworten zu geben, braucht es keine «alternativen Fakten».  Bei solch komplexen Fragen gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern nur bessere und schlechtere Argumente.  Meines Erachtens kommt man der Wahrheit am nächsten, wenn man erstens akzeptiert, dass niemand sie besitzt, und wenn man zweitens versucht, Interessen auf den Grund

zu gehen. Wem nützt das, was da passiert? Warum wird diese Information gerade jetzt verbreitet?

 

                      Gabriele Krone-Schmalz  EISZEIT